(rbb) Es ist voll in der „Autopresse Tempelhof“. Sehr voll. Dutzende Fahrzeuge stehen in engen Dreier-Reihen schon vorne auf dem Hof – und verteilen sich weiter über das ganze große Betriebsgelände. Doppelt, teilweise dreifach übereinander gestapelt. „Wir kommen kaum mehr hinterher“, stöhnt Mitarbeiterin Jessica Treber vorne im Büro. „Wir müssen jeden Zentimeter vom Gelände ausnutzen und genau gucken, wie wir die Autos so stellen, dass wir an sie rankommen, trotzdem aber jeden Platz ausnutzen.“ Der Geschäftsführer Andreas Schmidtke – Blaumann, runde Hornbrille – schüttelt selbst den Kopf darüber, wie voll sein Betrieb gerade mit Autos ist: „Wir haben sonst Eingänge zwischen 70 und 100 Autos jeden Monat, jetzt sind es gerade 200 bis 300 Autos.“ Wie aufs Stichwort startet Kollege Marco Seifert hinten in der Werkstatt den Gabelstapler. Und räumt um: ein grauer, abgewrackter VW-Passat Kombi muss weichen. Seifert lädt die Karrosse auf den Stapler und karrt sie raus.Der Wagen ist in Neonpink besprüht, Nummer 818/18. Das 818. Fahrzeug also, das in diesem Jahr zur „Autopresse Tempelhof“ kam. Inzwischen sind sie hier mit den Nummern fast schon den 2000ern angekommen.Der Passat landet draußen in einer Ecke, wo er gerade nicht stört. Ein Diesel, natürlich. Wie die meisten Schrottwagen hier. „Unter Normalbedingungen sind es 25 Prozent Diesel, 75 Prozent Benziner“, erzählt Marco Seifert. „Heute ist die Sache gekippt: Heute haben wir 75 Prozent Diesel.“ Geschäftsführer Andreas Schmidtke arbeitet schon seit 30 Jahren in der Autoverwertung. So eine Schwemme an Fahrzeugen hat er schon einmal erlebt: bei der Abwrackprämie 2008/2009. Damals standen innerhalb eines Monats 300 Autos auf dem Hof. „Da waren super Autos dabei“, erzählt er. Anfangs hätten sie noch das eine oder andere Ersatzteil verkaufen können, sagt Schmidtke, dann kamen auf einmal keine Werkstätten mehr vorbei, um Teile zu kaufen. „Und da ist dann bei uns selbst erstmal der Groschen gefallen“, erinnert sich Schmidtke, „in dem Jahr haben wir 6.000 Autos verschrottet, die waren natürlich alle vom Markt weg. Die fallen in den Reparaturen weg, die freie Werkstatt hat nichts mehr zu tun, die kaufen bei uns keine Teile mehr und wir bleiben auf den Teilen sitzen. Die sind dann alle reihenweise in den Container geflogen.“

So ähnlich könnte es jetzt wieder kommen: zu viele gute Ersatzteile für einen zu kleinen Markt. Denn die Autoverwerter in ganz Deutschland werden zur Zeit mit teilweise hochwertigen Diesel-Fahrzeugen überrollt. Die Bundesvereinigung der Entsorgungsunternehmen bestätigt das. Viele Hersteller zahlen bei Neukauf nur dann Prämien, wenn der alte Diesel in den Schrott geht. Allein Volkswagen hat so zwischen August 2017 und Juni dieses Jahres mehr als 200.000 Diesel zerstören lassen. Zertifizierte Betriebe wie die „Autopresse Tempelhof“ müssen die Verschrottung nachweisen – nicht dass der Wagen unter der Hand verkauft wurde. In dem Fall würde der Schrotthändler seine Lizenz riskieren. Für den Traditionsbetrieb, seit fast 50 Jahren in Tempelhof im Geschäft, kommt das nicht in Frage. Lieber versucht Geschäftsführer Andreas Schmidtke, die Annahme von Schrottautos etwas zu bremsen. Wobei – von „Schrott“ kann im Moment oft keine Rede sein: „Wir haben hier schon ein paar Schätzchen zu stehen, die normalerweise  nicht hier stehen würden“, erzählt Schmidtke, „zum Beispiel zwei BMW E61, Baujahr zwischen 2004 und 2007, im kompletten Zustand, mit im Schnitt 150.000 Kilometern – für einen Diesel ist das gar nix, die würden nochmal so lange laufen. Aber jetzt haben sie ausgedient, der Kunde hat wahrscheinlich einen neuen Wagen gekauft und die werden jetzt verschrottet.“Es werfen zwar viele, aber nicht alle Dieselfahrer das Handtuch. Und manche legen auch noch selbst Hand an – so wie Hans-Joachim Danke. Der Rudower fährt gerade mit seinem Dacia Diesel vor – den will er aufhübschen, mit Ersatzteilen aus der „Autopresse“, hofft er. „Unser Auto hat über 200.000 Kilometer runter. Nun sind die Sitzwangen alle kaputt, da wollen wir mal gucken, ob wir neue Sitze kriegen, damit es ein bisschen schöner aussieht.“Danke hat Glück: Die passenden Sitze sind schnell gefunden. Kurze Preisabsprache mit dem Händler, die wartende Ehefrau gibt grünes Licht. Auch wenn der Familien-Diesel mit Baujahr 2007 nicht mehr der jüngste ist. „Aber wir fahren damit und lassen uns nicht abschrecken“, sagt Hans-Joachim Danke.Sorge vor Fahrverboten haben sie nicht. „Können sie ruhig machen“, findet Danke. „Meine Frau muss jeden Morgen bis nach Wannsee, da könnte sie auch außenrum fahren, da hat sie kein Problem. Wir wohnen in Rudow. In der Innenstadt können wir dann immer noch die BVG nutzen.“ Die Schuld an der Diesel-Krise liege eigentlich beim Hersteller: „Es ist immer nur der kleine Mann, der bluten muss“. Autoverwerter Andreas Schmidtke sieht das genauso: Wer es sich leisten könne, gebe sein Auto ab und bekomme die Prämie obendrauf. Wer kein Geld für einen Autokauf habe, dem nütze auch eine Prämie nichts. „Wohlstandsverschrottung“ nennt er das, was gerade passiert.

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