Brüssel/Washington/Peking (dpa) – Mit einer Beschwerde bei der Welthandelsorganisation WTO hält sich die EU im Handelsstreit mit den USA mögliche Vergeltungszölle offen. In einem von der WTO veröffentlichten Dokument verlangt die Europäische Union offiziell den Start von Konsultationen mit der US-Regierung. Die EU könnte ihrerseits Schutzzölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans verhängen. Als Grund für ihren Antrag nennt die EU die Erklärung der USA für die neuen Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte. Nach EU-Auffassung wurden sie nämlich nicht wie von Washington angeführt aus Sicherheitsgründen, sondern zum Schutz von US-Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz verhängt. Als Schutzmaßnahmen hätten die neuen Zölle auch bei der WTO gemeldet werden müssen. China sieht das ähnlich und hatte bereits Anfang April Beschwerde erhoben. Die Regierung in Peking machte allerdings erste Zugeständnisse angesichts des drohenden Handelskriegs mit den USA. So sollen ausländische Autokonzerne bald nicht mehr zwingend auf einheimische Partner angewiesen sein, um in China zu produzieren, wie die oberste Wirtschaftsbehörde in Peking ankündigte. Bisher dürfen ausländische Autobauer in dem Land nur aktiv sein, wenn sie dafür Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Firmen gründen. An diesen dürfen sie nicht mehr als die Hälfte der Anteile halten. Der Zwang zu Joint Ventures ist seit langem ein Reibungspunkt zwischen China, den USA und den Europäern. US-Präsident Donald Trump hatte sich mehrfach an dieser Beschränkung gestoßen. Experten zeigten sich aber skeptisch, ob die angekündigte Änderung «im Geschäftsalltag wirklich eine Verbesserung darstellt». Dank seines robusten Wachstums sieht sich China gerüstet für einen Handelsstreit. Die Wirtschaft sei widerstandsfähig und verfüge über viel Spielraum, sagte der Sprecher des Statistikamtes, Xing Zhihong, bei der Vorlage der Wachstumszahlen für das erste Quartal 2018. Die Reibungen im Handel mit den USA könnten «die gute Dynamik und gesunde Entwicklung in China nicht dämpfen». In den ersten drei Monaten legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt demnach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,8 Prozent zu. Damit liegt das Wachstum bislang über dem Jahresziel der Regierung, das mit «rund 6,5 Prozent» angegeben wird. Die EU startete das Verfahren bei der WTO nun, obwohl ihre Mitglieder bisher noch von den neuen Zöllen ausgenommen sind. In Verhandlungen sollen die USA Zugeständnisse für eine dauerhafte Befreiung von den Abgaben fordern. Symbolisch für die USA interessant wäre dabei eine Senkung des EU-Importzolls auf US-Autos. Er liegt bei 10 Prozent, während der US-Zoll auf europäische Autos nur 2,5 Prozent beträgt. Die aktuelle Befreiung von den Zöllen läuft zum 1. Mai aus. Aus EU-Kreisen hieß es zuletzt allerdings, eine Einigung bis Ende dieses Monats sei kaum mehr realistisch, wahrscheinlicher sei eine befristete Verlängerung der Ausnahmeregelung. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will sich bei der an diesem Donnerstag (19.4.) beginnenden Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für eine Eindämmung des Handelskonflikts einsetzen. Der IWF warnte ungeachtet eines weiterhin strammen weltweiten Wirtschaftswachstums vor erheblichen Risiken für die globale Konjunktur. «Die im Moment guten Zeiten werden nicht lange halten», sagte IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld in Washington. Der gegenwärtige Handelsstreit sei ein großes Risiko und könne Wachstum früher als nötig abwürgen. In Industrieländern seien alterndes Personal, Fachkräftemangel und nur langsam wachsende Produktivität ein weiteres Problem. Wann die offiziellen WTO-Konsultationen zwischen der EU und den USA beginnen können, war zunächst unklar. In ihrem Antrag schlägt die EU einen Start «so schnell wie möglich» vor. Man erwarte eine zügige Antwort der USA, um Ort und Zeit für Gespräche vereinbaren zu können. Ein Sprecher von EU-Handelskommissarion Malmström sagte, das Verfahren bei der WTO sei vor allem angestoßen worden, um im Fall eines Scheiterns der laufenden Verhandlungen Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Vorrangiges Ziel sei aber immer noch, unbefristet und bedingungslos von den neuen US-Zöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen zu werden. Dann wäre die EU auch bereit, andere Streitthemen in der Handelspolitik anzugehen. Bei dem von der EU beantragten Verfahren handelt es sich nach WTO-Angaben nicht um ein Schiedsgerichtsverfahren. Dieses müsste gesondert beantragt werden, was bislang nur China getan hat.